CALLCENTER Beschäftigte in Call-Centern verdienen mehr Anerkennung Telefondienstleister, Versicherungen, Banken, Energiewirtschaft und zahlreiche andere Unternehmen – sie alle beauftragen Call-Center, um einen Teil ihrer Arbeit von externen Beschäftigten erledigen zu lassen. Aus Sicht der Unternehmen ist das ein legitimes Mittel, um die Kosten und Aufwendungen für das eigene Perso- nal deutlich zu reduzieren. Die Auftraggeber kaufen die Dienstleistung ein, die auch nur dann vergütet wird, wenn ein aktiver Service dahintersteht. Wie selbstverständlich erwartet jeder Kunde, der ein Problem hat oder in Nöten steckt, dass ihm schnell und unkompliziert geholfen wird. Also greift er zum Tele- fon und ruft mal eben an. Problematisch wird es, wenn gleichzeitig viele andere ein ähnliches Problem haben. Da kann es durchaus passieren, dass man in der War- teschlange mit einer manchmal nervigen Werbung und den neuesten Nachrichten aus dem Unternehmen landet. Das ist keine Werbestrategie, sondern dem hohen Anrufaufkommen oder unterbesetzten Call-Centern zu verdanken. Doch wie sieht das Leben auf der anderen Seite der „Line“ aus? Meistens sitzen hier Kollegen, die sich für eine kurze Übergangszeit im Call-Center anstellen las- sen. Kurze Übergangszeit ist allerdings relativ, denn das kann dann auch schon mal zu Jahren führen. Die Gründe dafür sind recht unterschiedlich. Wer denkt, „nur“ telefonieren ist doch keine wirkliche Arbeit oder kann bestimmt nicht so anstrengend sein, irrt sich hier leider gewaltig. Die Kolleginnen und Kollegen haben eine Menge an Belastungen auszuhalten. So sollen sie die Kundenanlie- gen in einem kurzen Zeitfenster von durchschnittlich 5 bis 10 Minuten erledi- gen, dabei den Datenschutz einhalten, alle Informationen vom Kunden sofort überblicken und im besten Fall noch ein Produkt des Unternehmens verkaufen. Erfüllt man diese Vorgaben nicht, kann es durchaus passieren, dass man sich für seine schlechte Performance rechtfertigen muss. Es werden Zielvereinbarungen getroffen und man soll sich verpflichten, alle Gespräche kurz zu halten, damit das Call-Center etwas verdient. Wenn ein Kunde mit mehreren Problemen kommt, soll er auch mehrmals anrufen. Small Talk oder Gespräche, die mit dem eigentli- chen Kundenanliegen nichts zu tun haben, sollten zwingend unterbleiben – schließlich sind wir ja keine Seelsorge, damit verdienen wir kein Geld. Aber genau das ist das, was manch ein Kunde benötigt. Hilfe und Unterstützung bei seinen Problemen, ein offenes Ohr oder mal ein freundliches Wort wirken bei der Lösungsfindung wahre Wunder. Auftraggeber erwarten zwar qualifizierte und hochwertige Servicedienstleis- tungen, sind jedoch nicht bereit, dafür auch entsprechend zu zahlen. Bestimmte Sonderleistungen und Vergütungen sucht man in einem Call-Center nämlich vergebens. In der Regel wird hier nur Mindestlohn oder knapp darüber gezahlt. Arbeitszeiten sollten schön flexibel gehalten werden. In bestimmten Branchen wird eine qualifizierte Dienstleistung auch gerne am Wochenende oder rund um die Uhr, also 24/7, angeboten. Dabei wächst die Komple- xität der Aufgaben stetig. Für kleinere Anliegen und Auf- gaben kommen mittlerweile „digitale Helferlein“ zum Einsatz und die Künstliche Intelligenz ist ebenfalls auf dem Vormarsch. Erschwerend kommt hinzu: Die Ausbil- dung oder Schulung auf den eigentlichen Aufgabenbe- reich dauert in der Regel nur ein bis drei Wochen. Ange- sichts der Komplexität der Aufgaben ist das viel zu kurz. Es gibt leider auch keine ausreichende Betreuung für die Kolleginnen und Kollegen, die sich teilweise von verärgerten Kunden am Telefon anschreien und belei- digen lassen müssen. Die zum Teil vorherrschende Arroganz und Überheblichkeit, die Beleidigungen und unsachlichen Auseinandersetzungen muss man verar- beiten können. Neben der manchmal doch recht anstrengenden und fordernden Kundschaft kommen noch die Vorgesetzten hinzu, die immer wieder das Erreichen der Kennzahlen verlangen. Der Druck und die Belastungen sind mitunter so unerträglich, dass dies zu einem erhöhten Krankenstand führt oder die Kollegen das Call-Center wieder verlassen. Mir persönlich macht es Spaß, den Kundenkontakt zu haben. Ich versuche, die anstehenden Problemchen oder Probleme zu lösen. Gerne nehme ich mir auch etwas mehr Zeit dafür, um die Kunden so zu bedienen, dass sie im besten Fall alles klären konnten. Ein zufriede- ner Kunde ist für mich die Motivation, die mich jeden Tag diese nicht immer einfache Aufgabe erledigen lässt. Wir können zwar den technischen Fortschritt auch im Call- Center nicht aufhalten, aber den Umgang miteinander durch Anerkennung und Wertschätzung des persönli- chen Kontaktes wesentlich angenehmer gestalten. Und wenn dann noch die Entgelt- und Arbeitsbedingungen in der Branche verbessert werden, würde die Arbeit als Call-Center-Beschäftigter definitiv mehr Spaß machen. Auch deshalb mein Appell an meine Kolleginnen und Kollegen in der Call-Center-Branche: Organisiert euch in der Fachgewerkschaft DPVKOM, damit wir mehr Druck auf unsere Arbeitgeber ausüben können. Dirk Hajeck, Betriebsrat der Mplus Halle GmbH 12 12 y a b a x P i : o t o F 05-2024